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Sportwissenschaft | Christian
Riedel, Jörg Birkel
Mythos Dehnen
Jeder Sportler tut es. Sei es aus Gewohnheit oder weil es so
gesund sein soll. Doch fast keiner weiß, was es wirklich bringt. Die
Rede ist vom Dehnen. Aufgrund neuer Erkenntnisse ist es wohl an der Zeit,
mit so manchem Irrglauben aufzuräumen, denn Dehnen schützt nicht
unbedingt vor Verletzungen, es kann sogar welche verursachen.
Das Ritual ist bestimmt schon genauso alt wie der Sport selbst.
Nach dem Warmlaufen wird gedehnt. Mindestens 15 Minuten, manchmal sogar länger.
Ein Muskel wird so lange gestreckt, bis leichte Schmerzen auftreten. Diese
Position wird dann einige Sekunden eingehalten und der betroffene Muskel danach
wieder aufgelockert. Denn eigentlich dachte man, mit dem statischen Dehnen
vor einer Belastung gleich zwei positive Aspekte miteinander verknüpfen
zu können. Nämlich die Leistungsfähigkeit durch eine flexiblere
Muskulatur zu verbessern und gleichzeitig die Verletzungsgefahr zu verringern,
da von einem lockeren, elastischen und entspannten Muskel eine höhere
Widerstandskraft erwartet wurde. Falsch gedacht.
Fragt man aber die Betroffenen, warum sie sich minutenlang dieser
schmerzhaften Prozedur unterziehen, erhält man die verschiedensten Antworten:
"Ich will mir keine Zerrung holen!"; "Ich werde beweglicher!"
oder "Ein gut gedehnter Muskel ist leistungsstärker!" Das sind
nur drei Mythen, die sich rund ums Dehnen oder Stretching drehen. Grund genug
über den neuesten Kenntnisstand aufzuklären.
Mythos I: Dehnen verhindert Verletzungen und Muskelkater
Dass ein gut gedehnter Muskel belastbarer und elastischer ist,
ist ein weit verbreiteter Irrglaube wie auch Diplom-Sportwissenschaftler Uli
Kussin, Leiter des Gesundheits-Trainingszentrum der Universität Paderborn
(GTZ), bestätigt: "Es gibt neue Erkenntnisse zum Thema Dehnen, weil
die Struktur des Muskels besser erforscht ist. Als gesichert gilt dabei, dass
sich das Dehnen nicht direkt auf die Länge der Muskulatur auswirkt, sondern
mehr auf den Sehnen- und Bandapparat."
Für den Muskel kann übertriebenes Dehnen sogar gefährlich
sein. Da die Gelenkreichweite zunimmt, nimmt die Schmerzgrenze ab. Man kann
den Muskel also weiter dehnen. So kann es zu großen mechanischen Spannungen
kommen, die im Extremfall den Muskel auf Mikroebene sogar Schaden können.
Zudem wird beim starken gehaltenen Dehnen die Durchblutung im Muskel unterbrochen,
was ebenso negative Auswirkungen auf den Aufwärmprozess hat.
Als Beispiel führt Kussin die Tierwelt heran: "Hunde
oder Katzen dehnen und strecken sich auch. Allerdings nicht vor einer anstehenden
Belastung, sondern nachdem sie sich längere Zeit nicht bewegt haben.
Dadurch halten sie die Muskeln beweglich. Es wäre ja auch unsinnig, wenn
sich ein Hund erst dehnen müsste, bevor er einer Katze nachjagt."
Mythos II: Dehnen verbessert die Leistung
Ist der Muskel gelockert, entspannt und gedehnt, kann er erst
seine wahren Leistungsmöglichkeiten entfalten. "Diese Aussage ist
ebenso falsch wie gefährlich", bestätigt Kussin. "Statisches
Dehnen kommt einer Kraftbelastung gleich und ermüdet die Muskulatur,
da der Muskel einer einwirkenden Kraft von außen widerstehen muss."
So haben Untersuchungen ergeben, dass die Zeit von Läufern, die zwischen
zwei 40-m-Sprints ein rund 15-minütiges Dehnprogramm absolvieren, deutlich
langsamer wird. Die Zeiten der Kontrollgruppe blieben hingegen nahezu konstant.
Die gleichen Erfahrungen wurden auch bei Sprungtest gemacht.
Der Grund hierfür liegt im Aufbau der Muskulatur. Kleinste
Muskelfasern, die so genannten Aktin- und Myosinfilamente, überlagern
sich und je weiter sie sich überlappen, desto mehr Kraft kann der Muskel
freisetzen. Wird der Muskel nun gedehnt, werden Aktin- und Myosinfilamente
auseinander gezogen und der Muskel kann weniger Kraft aufbringen. Je stärker
der Muskel also gedehnt wird, desto weniger Leistung kann er erbringen. "Vor
einer körperlichen Belastung sollte man höchstens leichte dynamische
oder federnde Dehnübungen machen, da sie die Muskulatur aktivieren",
empfiehlt Kussin.
Mythos III: Dehnen wirkt einer Muskelverkürzung entgegen
Ein Muskel verkürzt sich, wenn er lange nicht gedehnt wird.
Diese Aussage klingt ebenso plausibel wie sie falsch ist. Denn die Gesamtlänge
eines Muskels ist immer gleich. Spricht man von einem verkürzten Muskel,
so meint man eigentlich, dass er weniger flexibel und die Dehnfähigkeit
stark eingeschränkt ist. Tritt so eine Verkürzung auf ist es wichtig,
dass nicht der betroffene Muskel, sondern dessen Gegenspieler gekräftigt
wird, damit wieder ein Gleichgewicht in der Kraft und in der Ruhespannung
auf beiden Seiten hergestellt wird.
Da ein Muskel also immer gleich lang ist, kann er natürlich
durch Dehnen auch nicht verlängert werden. Aber die Beweglichkeit kann
erhöht werden. Deshalb spielt das Dehnen besonders in der Prävention
und Rehabilitation eine große Rolle, wenn die Muskulatur aufgrund einer
Verletzung längere Zeit ruhig gestellt war und deshalb an Beweglichkeit
verloren hat.
Bleibt natürlich die Frage, ob und warum man sich überhaupt
beim aktiven Sport dehnen sollte. Uli Kussin rät dazu, trotzdem nicht
aufs Dehnen zu verzichten: "Durch Dehnen lässt sich die Gelenkreichweite
verbessern und genau dafür sollte man es verwenden. Die Beweglichkeit
wird verbessert aber weder schützt es vor Verletzungen noch hilft es
bei Muskelkater. Deshalb sollte fürs Dehnen ein separater Trainingstag
gewählt werden".
Hintergrund: Richtig Dehnen
- Das Dehnen ist ein wichtiger Teil im Sport. Dabei gibt es
ein paar Regeln, die man beachten sollte:
- Niemals dehnen, solange die Muskulatur nicht aufgewärmt
ist.
- Dehnen darf niemals zur Qual werden. Es macht nichts, wenn
Sie beispielsweise bei einer Übung mit den Händen die Fußspitzen
nicht berühren können.
- Dehnen sollte immer in entspannter Haltung durchgeführt
werden. Konzentrieren Sie sich auf den Muskel nicht aufs Gleichgewicht.
- Das Dehnen sollte an der Schmerzgrenze und niemals darüber
hinaus stattfinden. Ohne Spannungsgefühl kann auch kein Dehnungseffekt
stattfinden.
- Unterstützen Sie die Dehnung durch bewusstes und betontes
Ausatmen. Versuchen Sie nicht, den Atem anzuhalten.
- Dehnen Sie über einen Zeitraum von mindestens 15 Sekunden
oder vier bis fünf Atemzügen, um eine Wirkung zu erzielen.
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