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Technik | Jutta Kühle
Kopfüber Kugelstoßen
Kugelstoß-Indoor Meeting in Nordhausen. Veronika bereitet
sich auf ihren ersten Wurf vor. Sie betritt den Ring. Die 4kg Kugel liegt
gut positioniert in der Schlüsselbeingrube. Ihr Blick ist frontal zum
Abwurfbalken. Sie hebt den linken Arm. "Nicky" kippt vorn über,
setzt die linke Hand auf den Boden und schlägt im Wurfkreis ein einarmiges
Rad, bevor die Kugel nach einem kraftvollen Ausstoß ihre Hand im hohen
Bogen verlässt.
Veronika Watzek ist mehrmalige Österreichische Staatsmeisterin
im Kugelstoßen und Diskuswerfen. Zu ihren größten Erfolgen
zählt der 13. Platz (Diskus) bei der Europameisterschaft 2006 in Göteborg.
Eigentlich ist ihre Spezialdisziplin das Diskuswerfen: "Kugelstoßen
trainiere ich nur nebenbei, vor allem aber während der Hallensaison".
Durch eine Scherz-Mail von einer Freundin wurde die ehemalige Leistungsturnerin
auf die Cartwheel-Technik aus Amerika aufmerksam und probierte es selbst.
"Ich habe lange geturnt. Ein Rad ist für mich eine
vertraute Bewegung, bei der ich mich sehr sicher fühle. Direkt beim ersten
Versuch flog die Kugel schon erstaunlich weit an meine persönliche Bestleistung
heran. Daraufhin begann ich die Cartwheel-Technik mit meinen Trainern zu verfeinern",
erzählt Veronika.
Spielerei oder ernstzunehmende Technik?
Das Technologische Gewerbemuseum (TGM) ist eine höhere technische Bundeslehranstalt
in Wien. Die Abteilung für Sporttechnik hat im Oktober 2006 unter der
Leitung von Gabriele Schachinger die Technik biomechanisch untersucht. "Veronika
wurde mit viel technischem Equipment verkabelt. Sensoren an den Gelenken und
in den Schuhen sollten Aufschluss über die Kraftentwicklung und über
den genauen Bewegungsablauf geben", erklärt Trainerin Ulrike Puhr.
Beim Kugelstoßen kommt es darauf zunächst darauf an, den 2,13 m
(Durchmesser) großen Kreis so auszunutzen, dass auf das Wurfgerät
eine gleichmäßig ansteigende Kraft wirkt. Ein möglichst langer
Beschleunigungsweg ist dafür Grundvoraussetzung. Puhr erklärt: "Die
Ergebnisse der Bewegungsanalyse haben gezeigt, dass der geradlinige Beschleunigungsweg
bei Veronikas Cartwheel-Technik wesentlich länger ist als bei ihrer Angleittechnik."
Die Flugbahn der Kugel wird nach der Beschleunigung durch die
Abstoßgeschwindigkeit, Abstoßhöhe und Abstoßwinkel
vorherbestimmt. Der optimale Abstoßwinkel wiederum ist abhängig
von der Abstoßhöhe und beträgt zwischen 37° und 47°.
Auch in diesen Teilkomponenten kann die Cartwheel-Technik punkten. "Die
Wirtschaftsingeneure haben berechnet, dass die Abstoßgeschwindigkeit
der Kugel beim Angleiten etwa 3 m/s beträgt - bei der Cartwheel-Technik
ist die Kugel doppelt so schnell: etwa 6 m/s. Zudem ist die Abstoßhöhe
bei Veronika um 10 cm bis 15 cm höher. Demnach ist rein rechnerisch eine
100 Prozent Steigerung möglich."
Revolutionäres Rechenbeispiel
Beim Angleiten flog Veronikas weiteste Kugel auf 15,02 m. Eine
100-prozentige Steigerung würde eine Weite von 30,04 m bedeuten. Damit
wäre der aktuelle Weltrekord von 22,63m (1987, ehem. UdSSR, Natalija
Lissowskaja) um mehr als sieben Meter übertroffen.
Revolution in der Leichtathletik? "Die praktische Umsetzung
der Cartwheel-Technik hat Grenzen. Würde Veronika die volle Dynamik der
Rad-Bewegung auf die Kugel ummünzen, könnte sie niemals einen Stoß
stehen. Sie würde immer übertreten", analysiert die Trainerin.
Training und Ziele
Derzeit erarbeiten Veronika und ihre Trainerin mit Videoaufzeichnungen
eine Trainingsstrategie. "Das Problem beim Training ist, dass wir keine
Teilkomponenten aus dem Bewegungsablauf herausnehmen können. Wenn wir
Kleinigkeiten verändern wollen, müssen wir immer die volle Technik
trainieren. Nach 20-30 Wiederholungen ist die Kraft dann verbraucht. Momentan
tüfteln wir daran, wie der Schwung am besten abgefangen werden kann."
Veronika hat in ihrem Heimatverein LC Villach mittlerweile Nachahmer
gefunden. Sie blickt zuversichtlich in die Zukunft: "Die Wirtschaftsingeneure
haben mir bestätigt, dass die Technik großes Potenzial hat. Wenn
ich noch Kleinigkeiten verändere, hoffe ich bald 18 m stoßen zu
können. Auch 13-14jährige Nachwuchssportler, die die nötigen
turnerischen Voraussetzungen mitbringen, probieren die Cartwheel-Technik im
Training aus."
Vielleicht haben Veronika Watzek und Ulrike Puhr eine Kugel
ins Rollen gebracht und eine neue Ära in der Leichtathletik-Welt eingeläutet.
Zumindest ist die Eleganz des "Radelnden Stoßes" gegenüber
den anderen Techniken haushoch überlegen.
Weiter Informationen über Nicky und das Cartwheel
findet ihr hier: www.nickywatzek.at.tf
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